Sind Emotionen unprofessionell?
- Miriam Oehme

- Aug 29, 2023
- 2 min read
Wer wie ich in einem technisch geprägten Umfeld mit vielen Naturwissenschaftlern arbeitet hat es durchaus mit Vorurteilen zu tun wenn es um „softe“ Themen wie Führungsarbeit oder Kultur geht.
Bei der Arbeit mit dem internationalen Führungsteam eines Großkonzerns hatten wir in einem ersten Workshop erarbeitet dass die Organisation zwar über eine enorme Resilienz und viel Durchhaltevermögen verfügt, es aber andererseits an Delegation, Mitarbeiterentwicklung und Kreativität fehlt.

Um im nächsten Schritt tiefer in die Themen einzusteigen druckte ich provokative Aussagen über Führung und Kultur auf kleine Kärtchen und bat die Teilnehmer, nacheinander eines zu ziehen, vorzulesen und eine erste Reaktion in der Gruppe zu teilen.
Eines der Kärtchen besagte „Emotionen gehören nicht an den Arbeitsplatz“. Die erste Reaktion lautete „Stimme ich zu, alles andere ist unprofessionell“. Aus der Gruppe regte sich sofort Widerstand, es gab aber auch zustimmendes Nicken.
Der Kern der Frage war letztlich ob es kulturell akzeptabel und akzeptiert ist, Emotionen zu zeigen. Die Teilnehmer aus Taiwan waren der Ansicht, Gefühle in der Öffentlichkeit zu zeigen sei unangemessen und werde als Schwäche ausgelegt. Die Europäer und Nordamerikaner waren sich untereinander nicht einig. Einige sahen das genauso, andere waren der Meinung, Gefühle seien Teil des Menschseins und damit auch am Arbeitsplatz in Ordnung.
Im Coaching gehören Gefühle dazu, positive wie negative. Das berühmte Bauchgefühl, letztlich unsere Intuition und unser Erfahrungswissen, basiert ebenfalls auf einer emotionalen Reaktion auf ein Erlebnis. Je nach kultureller Norm fällt es den Coachees aber durchaus schwer, diese Emotionen zuzulassen, zu zeigen und zu verbalisieren.
Arbeite ich mit einem Coachee, der wenig Zugang zur eigenen Gefühlswelt hat, habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, mit Bildern zu arbeiten. Legt man einen Stapel bebilderte Karten auf den Tisch (ich verwende gekaufte Kartensets zum jeweiligen Thema) und lässt diejenigen heraussuchen die die aktuelle Situation, oder auch die Zukunft, am besten darstellen hat man einen ersten Ansatzpunkt. Auch über körperliche Empfindungen finden manche einen Zugang – wie fühlt sich das an, wo im Körper spüre ich es.
Persönlich bin ich der Meinung dass Emotionen ein wichtiges Element authentischer Führung sind. Nur wer einen Zugang zu den eigenen Gefühlen hat kann sich in andere hineinversetzen und wird als „echt“ erlebt. Macht die Dosis das Gift? Vermutlich, was auch der Konsens in unserem Workshop war. Zu viel Drama und übermäßig ausgelebte Emotion sind für Kollegen und Mitarbeiter ebenso schwer zu ertragen wie Gefühlskälte und übertriebene Nüchternheit.






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